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An(ge)dacht

 „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke“ (Ps 46,2)

Eine kraftvolle Aussage! Ursprünglich war dieser Psalm ein Hoffnungsanker für das belagerte Jerusalem, als 701 v. Chr. die Assyrer vor den Stadttoren standen. Für solche und ähnliche Situationen ruft der Psalm dazu auf, nicht in Panik zu verfallen, sondern auf Gottes Schutz zu vertrauen.

Dieses Bekenntnis ist weit mehr eine Durchhalteparole aus vergangenen Zeiten. Man kann Psalm 46 regelrecht als Antikriegslied verstehen – als Ruf gegen Gewalt und als Ausdruck von Friedenssehnsucht, denn: „Er (Gott) macht den Kriegen ein Ende...“ (V. 10). Nicht der Mensch, sondern Gott selbst legt die Waffen nieder – und zerstört sie.

Martin Luther schuf auf dieser Grundlage das berühmte Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ (F&L 130; EG 632). In der Zeit der Reformation und der Frühen Neuzeit wurde der Kampf gegen religiöse Gegner oft als Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verstanden, wobei die Abgrenzung zwischen spirituellem und weltlichem Kampf fließend war. Dadurch entstand im Laufe der Zeit eine enge, aber problematische Verbindung zwischen Religion, Nation und Gewalt, die so von Luther ursprünglich vermutlich nicht beabsichtigt war.

In unserer heutigen Welt feiert nationalistische Propaganda in Verbindung mit religiösen Symbolen fröhliche Urständ. An vielen Orten werden Kriege als Dienst an der heiligen Sache gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund bleibt Psalm 46 herausfordernd aktuell. Gott als „Helfer der eigenen Waffen“ zu vereinnahmen, ist eine gefährliche Illusion. Der Psalm hält dagegen: Unsere Stärke liegt nicht in Rüstung, sondern in der Hoffnung, dass Gott Kriege beendet – auch wenn das im Moment ziemlich utopisch und dem Zeitgeist entgegenzusehen scheint.

Das ist keine verträumte Weltflucht, sondern ein Gebet wider alle Hoffnungslosigkeit: „Gott, zerbrich Bogen und Spieße – in Gaza und Israel, in der Ukraine, im Sudan und überall.“ Unsere Zuversicht liegt im Vertrauen in die Kraft des Friedens.

Prof. Dr. Dirk Sager

(Theologische Hochschule Elstal)